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Kansas
Ein Jahrzehnt Prog-Rock
In den 70er Jahren war Kansas die führende Prog-Rock-Band aus den USA. In Punkto Progressivität und In-novativität kann man sie so-gar mit den Prog-Legenden Genesis und Yes aus Eng-land vergleichen, wenn auch ihr Sound und ihre Art der Musik deutlich amerikanisiert waren. Dieses Review soll ein Tribut an ihre künstler-isch wichtigste Phase sein. Zudem kennen viele (oftmals jüngere) Fans die älteren Songs und den Werdegang dieser außergewöhnlichen Band nicht, so daß speziell diesen Lesern ein Eindruck über die Karriere von Kansas vermittelt werden soll. 

In den 60er Jahren inspirierten die damaligen Mega-Bands Rolling Stones und die Beatles die Jugend zu einem Traum - dem Traum, ein Rock-Star zu werden. Einer dieser Träumer war Kerry Livgren, ein Gitarrist aus Topeka, Kansas. Kerry spiel-te in mehreren Schulbands zusammen mit Phil Ehart (drums). Zu einer dieser Schulbands, die noch nicht ernstzunehmen waren, stieß Ende der 60er Jahre Dave Hope, ein früherer Klassenkamerad von Kerry und Phil aus Topeka. Es war Dave, der den Vorschlag machte, eine neue Band mit dem Namen Kansas zu gründen. Der Name Kansas sollte auf die Verwurze-lung der Band mit ihrem Land und ihrem Staat hin-weisen. Die damals achtköpfige Band bestand aus zwei Gitarristen, zwei Keyboardern, zwei Sängern sowie einem Bassisten und einem Drummer. Da die Musik der Band nach Aussage von Kerry für die damalige Zeit zu bizarr klang, kam es zu keinem nennenswerten Erfolg, geschweige denn zu einem Plattenvertrag. Die dadurch verursachte Frustration war der Grund für die Trennung der Band, die 1970 stattfand. Kerry formierte eine neue Kansas-Band, die aus 7 Musikern bestand, aber auch keine Aufmerksamkeit erregen konnte.

Phil gründete währenddessen eine Neuformation seiner Highschool-Band White Clover. Dabei kam es zur Zusammenarbeit mit Steve Walsh, der zur Band als Sänger hinzustieß. Steve hatte zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erfahrung als Sänger und hatte erst ein Jahr zuvor angefangen, Piano zu spielen. Die Band sandte ein Demo an Robby Steinhardt, einem Sänger und Violisten aus Lawrence, Kansas. Robby zeigte sich beeindruckt vom musikalischen Potential der Gruppe und stieg als zweiter Sänger und Violist in die Band ein. Dave Hope und dessen Schulfreund Richard Williams traten auf eigenen Wunsch ebenfalls bei. White Clover bestand zu diesem Zeitpunkt also aus den Musikern Steve Walsh, Phil Ehart, Rich Williams, Dave Hope und Robby Steinhardt. Um Steve als Songwriter und Rich als Gitarristen zu entlasten, wurde aber ein weiterer Gitarrist und Songwriter gesucht. Phil schlug Kerry Livgren vor, der Band beizutreten. Kerry stimmte zu, da mit seiner damaligen Kansas-Band kein Fortschritt erkennbar war.

White Clover spielte zu dieser Zeit unter miserablen Bedingungen. Die Band bekam für einen ganzen Abend teilweise nur 7 $. Trotzdem gab die Band nicht auf und verschickte mehrere Demo-Tapes an verschiedene Firmen. Ein Demo bekam auch Don Kirshner zugesandt, der ein eigenes Label hatte und die Band unter Vertrag nahm, nachdem er einen Live-Auftritt gesehen hatte, und das Potential der Band bemerkte. Die Gruppe entschloß sich, den Namen von Kerry`s Band zu übernehmen: KANSAS.

Im Sommer 1973 nahmen Kansas ihre erste LP in nur zwei Wochen auf. Erst 7 Monate später wurde ihr Debut-Album "Kansas" veröffentlicht. Das Album wurde zwar positiv von der Presse aufgenommen, aber die beiden Single-Auskopplungen "Can I Tell You" und "Lonely Wind" waren kommerziell jedoch nicht erfolgreich. Auf dem Debut waren die beiden von den Kansas Fans heißgeliebten "Journey to Mariabronn" und "Death of Mother Nature Suite", veröffentlicht worden, die auch heute noch zu den Faves der Fans zählen.

Ende 1974 nahmen Kansas ihr zweites Album "Song for America" auf, das im Februar 1975 veröffentlicht wurde. Mit nur 6 relativ langen Songs widersetzten sich Kansas den Forderungen ihrer Plattenfirma, die radiotaugliches Material gewünscht hatten. "Song for America" verkaufte sich immerhin 250.000 mal, aber ein kommerzieller Singleerfolg wurde abermals nicht erreicht. Die 3 überlangen Lieder "Song for America", "Lamplight Synphonie" und "Incommudro-Hymn to the Atmen" gelten heute als Meilensteine des Progressiv-Rocks. Obwohl sich das Album relativ gut verkaufte, nahm der Druck auf die Band hinsichtlich eines Singleerfolgs zu.

Kansas nahmen ihr drittes Album "Masque" 1975 auf. Das Album bekam abermals eine gute Pressekritik, konnte aber die Verkaufszahlen von "Song for America" nur unwesentlich übertreffen. Zu der Zeit stieg ihr Ruf als excellente Live-Band aber kontinuierlich an.

Ihr viertes Album "Leftoverture" verdient besondere Beachtung, denn dieses Album gilt bis heute als die beste LP von Kansas und verhalf der Band zum Durchbruch. "Leftoverture" wurde mit Gold (500.000 verkaufte Platten) und am 15.03.1977 sogar mit Platin (1 Mio Verkäufe) ausgezeichnet. Ausschlaggebend für diesen großen Erfolg war die Singleauskopplung "Carry on Wayward Son", welche in den Charts sogar Platz 11 erreichte.

Als Kerry Livgren "Carry on Wayward Son" schrieb, hatte er nicht einmal die Absicht, den Song als regulären Track auf "Leftoverture" zu veröffentlichen. Die anderen Bandmitglieder mußten Kerry erst von der Qualität des Liedes überzeugen. (Anmerkung der Redaktion: Ironischerweise sind hier Parallelen zu Deep Purple erkennbar, da deren größter Erfolg "Smoke on the Water" von Richie Blackmore ursprünglich ebenfalls als qualitativ unzureichend angesehen wurde).

Die zweite Auskopplung von "Leftoverture" "What`s on my Mind" verpaßte den Sprung in die Charts. Zu "Leftoverture" ist noch anzumerken, daß es sich hierbei um die erste Kansas-LP handelt, auf der sich kein einziger schwächerer Song befindet. Das Niveau dieser LP ist außergewöhnlich hoch.

Durch den Erfolg von "Leftoverture" wurde Kansas zum Headliner, der auch das Palladium in New York City füllte. Unter dem enormen Druck, einen würdigen Nachfolger zu "Leftoverture" zu veröffentlichen, schrieben Kansas ihr fünftes Album "Point Of Know Return", welches abermals ein Riesenerfolg wurde (Gold und Platinauszeichnungen). Das Album erreicht als Höhepunkt sogar Platz 4 der LP-Charts. Die größte Überraschung dieses Albums war der Megaerfolg der Single-Auskopplung "Dust in the Wind". Diese Single erreichte in der Hitparade Platz 6 und wurde somit der größte Singleerfolg, den die Band jemals hatte. Die Veröffentlichung war außerdem zum damaligen Zeitpunkt ein großes Risiko, da dieBand noch niemals zuvor einen rein akustischen Song aufgenommen hatte. Der fast schon philosophisch zu nennende Song spricht auch heute noch Musik-Fans aller Stilrichtungen an, da die Tiefe und Intensität dieses Liedes fast jeden Hörer anspricht. Interessant ist die Tatsache, daß nach Abschluß der Tournee Phil und Steve den früheren Genesis-Gitarristen Steve Hackett trafen, und an dessen Solo-LP "Please don`t touch" mitwirkten.Während weiterer Konzerte wurden die Aufnahmen zum Live-Doppelalbum "Two for the Show" mitgeschnitten, welches im Oktober 1978 auf den Markt kam und wiederum ein großer Erfolg wurde (abermals Gold und Platin). Auf der LP sind die größten Erfolge der Band live zu hören; der Song "Icarus - Borne on Wings of Steele" wurde neu aufgenommen. Das Album eröffnet dem Hörer einen beeindruckenden Blick auf die Live-Performence der Band.

Aufgrund des Drucks und des damit verbundenen Stresses zweier solch erfolgreicher Alben wie "Leftoverture" und "Point of Know Return", gingen Kansas frustriert ins Studio, um ihr siebentes Album "Monolith" einzuspielen. "Monolith" hat einen wesentlich dunkleren und härteren Sound als die Vorgänger und verursachte sehr unterschiedliche Reaktionen der Fans als auch der Band selbst. Für einige Fans war das Album sensationell gut ausgefallen, aber die breite Masse reagierte eher negativ auf die Veröffentlichung. Als Konsequenz verkaufte sich "Monolith" im Vergleich zu den beiden vorherigen LPs relativ schlecht und wurde "nur" mit Gold ausgezeichnet. Auch innerhalb der Band veränderte sich die Stimmung und Kansas erlebte ihren ersten Tiefpunkt (Steve verließ die Band sogar für wenige Tage).

Im Januar 1980 veröffentlichten sowohl Steve als auch Kerry jeweils ein Solo-Album, die beide aber nicht erfolgreich waren. Bemerkenswert am Solo-Album "Seeds of Change" von Kerry Livgren ist die Zusammenarbeit mit Ronnie James Dio, der damals Leadsänger bei Black Sabbath war. Beide Projekte hatten mit der eigentlichen Stilrichtung von Kansas wenig gemein; Steve`s Musik war eingängiger Rock/Mainstream, während sich Kerry eher in melodischen Gefilden bewegte. 1980 erschien die letzte Kansas LP in der Original-Besetzung "Audio Visions". Diese LP war zwar wie "Monolith" relativ erfolgreich, aber an die Höhepunkte von "Leftoverture" und "Point of Know Return" konnte weder musikalisch noch kommerziell angeschlossen werden. Die Single "Hold on" war zwar noch ansatzweise erfolgreich (in Europa erfolgreicher als in den USA), aber die folgenden Auskopplungen verfehlten alle den Sprung in die Charts.

Nach der Veröffentlichung von "Audio Visions" verließ Steve aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die musikalische Entwicklung die Band. Erst Jahre später sollte es zu einer Reunion in der Originalbesetzung kommen.

An dieser Stelle endet auch der Bericht über ein Jahrzehnt Progressiv-Rock-Geschichte. Die Band veröffentlichte zwar mit einem neuen (und sehr guten) Sänger -John Elephante- weitere LPs ("Power", "Vinyl Confessions", "Drastic Meassures", "In the Spirit of Things"), auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Diese Alben waren zwar alle gut bis sehr gut, aber die Genialität der älteren Veröffentlichungen wurde nie erreicht.
Mit "Live at the Whiskey" meldeten sich Kansas wieder mit Steve Walsh als Sänger zurück, doch auch dieses Live-Album reicht an "Two For The Show" nicht heran. Das neueste Album der Band ist "Freaks Of Nature", auf das hier ebenfalls nicht näher eingegangen wird.

Ich hoffe, mit diesem Artikel einen informativen Rückblick auf eine Band geschrieben zu haben, die Jahrzehnte lang zu den absoluten Highlights der Prog-Rock-Geschichte gezählt hat.
Wolfgang Volk (01.03.1997)
Weiteres zu Kansas:

- Somewhere To Elsewhere (CD-Check)